BUND Kreisverband Nordhausen

Rückblick BUND-Einsatz 177 "Kamm" NSG Alter Stolberg

14. Oktober 2023

Kamm" NSG Alter Stolberg Der Kamm nach Beendigung der Pflegearbeiten.  (Bodo Schwarzberg)

Der so genannte Kamm im Naturschutzgebiet Alter Stolberg beherbergt eine der größten mir bekannten Konzentrationen gefährdeter Gefäßpflanzenarten im Landkreis Nordhausen und vielleicht noch darüber ein Stück hinaus, auf engem Raum von vielleicht 1000 m². 29 dieser Arten stellte ich im Zuge der Rote-Liste-Kartierung einst fest, wobei insbesondere die feuchteliebende saprophytische Orchidee Vogel-Nestwurz (Neottia nidus-avis) von mir seit dem verheerenden Dürrejahr 2018 und der Deutsche Enzian (Gentianella germanica), selbst im westexponierten und von Gehölzen leicht geschützten Bereich des Kamms trotz unserer handmaschinellen, einschürigen Mahd massiv auf dem Rückzug sind. 2023 sah ich nur eine schmächtige Pflanze Deutscher Enzian, vor 2018 hatte deren Zahl noch auf viele Dutzend zugenommen. Das dürfte vorbei sein.

Dafür breitet sich der Vertreter europäischer Wiesensteppen, das Gewöhnliche Federgras Stipa pennata allmählich weiter aus. - Und heute mähte ich den Spross mit Fruchstand eines Exemplars des Diptams (Dictamnus albus, kommt wieder) ab (Foto), der seit Jahrzehnten nur von der Himmelswiese in demselben NSG bekannt war und sich dort allerdings in den letzten Jahren, wohl trockenheitsbedingt, deutlich ausgebreitet hat.  Das wäre dann das zweite rezente Vorkommen des Lk Nordhausen - und es sollte uns, wie so vieles andere auch in dieser Zeit, nicht nur positiv stimmen. Denn der Diptam hatte um Nordhausen stets nur einzelne Vorposten seines mehr im Kyffhäuser- und östlichen Hainleitegebietes liegenden hiesigen Verbreitungsschwerpunktes. Sicher hat unsere Pflege mit zu dem neuen Fund beigetragen, aber er wäre ohne die sich für ihn auch im früher viel kühleren und feuchteren Lk NDH weiter "verbessernden" klimatischen Bedingungen wahrscheinlich nicht denkbar.

Der unvergessene Nordhäuser Botaniker von Weltgeltung (Mitglied in elitären internationalen botanischen Vereinigungen und hoch geachtet) Dr. h.c. Kurt Wein schreibt dazu in "Der Nordhäuser Roland" im Juni 1955: "Im Windehäuser Holz findet sich nur in der Nähe von Steigerthal ein einziges Stück dieser prächtigen Pflanze, das insbesondere des strengen Schutzes bedarf..."

Kurt Wein trauerte in demselben Beitrag dem damals bereits einstigen Diptamvorkommen am Mittelberg bei Krimderode nach und er kritisiert das mögliche Ausgraben der seltenen Art: "Wegen seiner Schönheit und Stattlichkeit wird er gern und oft in Gärten verpflanzt, in denen er leicht fortkommt. Daher lässt es sich wohl erklären, dass er am Mittelberge, wo er vor etwa 50 Jahren (also um 1905-B.S.) noch vorkam, heute fehlt." 

Das schrieb Wein 1955. Und es hat sich leider wenig geändert, was das Verhalten einzelner Glieder der Bevölkerung angeht, weswegen hoffentlich jeder versteht, warum ich mit Wuchsortdaten, gerade im www und auch sonst sehr sparsam umgehe.

- Wir haben gestern zum wiederholten Male weite Teile des Kamms gemäht: Wilma und Edith aus Buchholz, unsere tollen Mitstreiterinnen, die durch puren Zufall beim jüngsten Pfaffenkopfeinsatz zu uns gestoßen waren, Rainer und ich. Und dank ihres großen Engagements, trotz zeitweisem Regens und der dadurch schmierigen Steilhänge, haben wir alles Notwendige geschafft. Dabei kam nur ein Freischneider zum Einsatz. Wir konnten auch alles noch am selben Tag abharken, was in den vergangenen Jahren nicht immer gelang. Und diesmal war das Mähgut auch noch nass.

Ich kann Wilma, Edith und Rainer nur wieder meinen ganz herzlichen Dank aussprechen. - Auch für den tollen Kaffee, den unsere beiden Mitstreiterinnen zum BUND-Imbiss u.a. aus Käse, Leberwurst und Gurken mitbrachten.

Nach 6 Stunden verließen wir, langsam die Hänge hinuntersteigend, den Kamm, mit dem guten Gefühl, einen der wichtigsten Hotspots der Artenvielfalt im Landkreis wiedermal mit erhalten zu haben.

Unter anderem sahen wir dort noch hunderte abgeblühte Exemplare der Färber-Scharte (Serratula tinctoria), die nach bundesdeutscher Roter Liste von 2021 langfristig stark zurückgeht. Hier wächst sie noch immer wie "Unkraut".

Dennoch gibt es dort massive Veränderungen: Kaum eine Buche ist noch gesund und die Frage stellt sich, wie sich auch unser Gebiet durch die Klimakatastrophe verändert, gegen deren Wurzeln niemand wirklich vorgeht.

Autor: Bodo Schwarzberg

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