BUND Kreisverband Nordhausen

Der Feld-Enzian muss überleben

25. November 2023

Der Feld-Enzian muss überleben

Charakteristisch für den Baltischen- bzw. Feld-Enzian sind u.a. die vier statt fünf Kronenblätter und die auffallend unterschiedlich großen bzw. unterschiedlich geformten Kelchblätter. (Foto: Bodo Schwarzberg)

Der BUND-Kreisverband kämpft für das Überleben des Feld-Enzians (Gentianella campestris) im Freistaat Thüringen. Ende des 19. Jahrhunderts galt er im Gebiet um Nordhausen noch als "stellenweise sehr häufig". Bodo Schwarzberg berichtet.

Momentan gelten nach meiner gegenwärtigen Kenntnis nur noch zwei Vorkommen als rezent, also aktuell.  Eines der beiden befindet sich im Landkreis Nordhausen. Nachdem jahrelang nur wenige Pflanzen zur Blüte gekommen waren, können die Beobachtungen aus dem Jahre 2023 jedoch Anlass für eine leichte Entwarnung geben.

Insgesamt jedoch steht die Zukunft der Art im Bundesland auf Messers Schneide:

Denn: 120 Punkte finden sich im Verbreitungsatlas der Farn- und Blütenpflanzen Thüringens auf der Verbreitungskarte der "Artengruppe Feld-Enzian". Meist bedeutet jeder einzelne Punkt mindestens einen Nachweis der Sippe in einem Geländequadrat mit rund 2,9 Kilometern Kantenlänge. Laut Verbreitungsatlas von 2002 bzw. und unter Einbeziehung meiner aktuellen Kenntniss gilt er in 118 dieser Quadrate, auch genannt Messtischblatt-Viertelquadranten, also 98,3 Prozent, als ausgestorben oder verschollen. Aktuell gibt es, wie beschrieben, nur noch zwei gesicherte Nachweise; diese liegen im Kyffhäuserkreis und im Landkreis Nordhausen. Von weiteren aktuellen ist mir derzeit nichts bekannt.

Im Rahmen eines Projekts mit dem Landschaftspflegeverband Südharz-Kyffhäuser e.V. von 2013 bis 2015 wurde der Feld-Enzian im Jahre 2013 mit Erfolg im Landkreis Nordhausen an einem noch in den 90er Jahren besetzten Wuchsort wieder angesiedelt und dieser Wuchsort fortan einer artgerechten Pflege unterzogen, was heute insbesondere meist einschürige Mahd bedeutet, also eine späte Mahd pro Jahr mit Beräumung des Mähgutes.

Das Projekt gelang, wenngleich zunächst nur mit mäßigem Erfolg. Entweder blühten gar keine Pflanzen oder maximal meist bis zu zehn. 2016 waren es mehr als 20. Das Problem dabei: Die Samen des Feld-Enzians gelten als kurzlebig, und die Pflanzen selbst als nicht sehr trockenheitstolerant. Zumal die beiden aktuell bekannten beiden Thüringer Vorkommen des Feld-Enzians der Unterart Baltischer Enzian (Gentianella campestris ssp. baltica) zugeordnet werden können, dessen Verbreitungsgebiet als "nordisch-subozeanisch" gilt und nur wenige europäische Länder umfasst. Lange, extrem trockene Phasen gerade während des Streckungswachstums im Sommer, von denen es seit einigen Jahren immer mehr gibt, sind im Leben dieser Sippe eigentlich nicht vorgesehen.

Treten lange Dürren regelmäßig auf, wie seit 2018, könnten die wenigen, im Boden befindlichen Samen ihre Keimfähigkeit verlieren, was zum Verlust der beiden Thüringer Vorkommen führen könnte. Außerdem benötigt die Art dauerhaft kurzrasig gehaltene, aber nicht zu stark bewirtschaftete, lückige, zumindest oberflächig gern leicht saure, magere Wiesen und Weiden für ihr Fortkommen, die heute immermehr zur Rarität werden.

Doch die Kontinuität der Pflegemaßnahmen des BUND-Kreisverbandes und die ständige Beobachtung der Situation vor Ort scheinen sich auszuzahlen: Im niederschlagsreicheren Jahr 2023 schoss die Zahl blühender Exemplare des Feld-Enzians auf 43 nach oben. 

Dabei ist die Pflege, ja der gesamte Umgang mit hochgradig bedrohten Arten oft spannend wie ein Krimi. Denn möglicherweise hätte es beinahe keine blühenden Pflanzen in diesem Jahr gegeben: Der Grund: Eine ungewöhnlich lange Trockenheitsphase Anfang bis Mitte Juli.

Damals waren bereits zahlreiche Pflanzen sichtbar, und plötzlich begannen sie mangels Wasser zu welken. Ein Vertrocknen von 43 Exemplaren des Feld-Enzians hätte möglicherweise zum Verlust des geringen Samenvorrats im Boden geführt. Ein Aus für das so wichtige Vorkommen hätte damit im Bereich des Möglichen gelegen und der Verlust der Sippe für Thüringen wäre wieder ein Stück näher gerückt.

Infolge mehrerer Gießaktionen (in der Fachsprache nennt man dies Maßnahmen zur in-situ-Erhaltung) bildeten sich die Welkerscheinungen innerhalb kurzer Zeit zurück. Mehrmals schleppten wir 20 Liter Wasser zum Wuchsort und vergossen es mittels einer Gießkanne.

Mitte Juli folgte dann eine mehrwöchige niederschlagsreiche Phase. Der Blüte und dem so wichtigen, erfolgreichen Fruchten des Feld-Enzians stand nun nichts mehr im Wege. Der Samenvorrat konnte sich so auffüllen, wie seit Projektbeginn 2013 nicht mehr.

Für die Erhaltung eines so wichtigen Vorkommens müssen mehrere Akteure an einem Strang ziehen: Untere Naturschutzbehörde, Flächeneigentümer, Landschaftspflegeverband und wir als Akteure direkt an der Fläche. Nicht immer lief das problemlos. Ich vermute jedoch, dass alle Akteure nun wissen, was am Wuchsort geht und was nicht, wenn wir den Feld- bzw. Baltischen Enzian für Thüringen nicht verlieren wollen, zumal am zweiten Thüringer Wuchsort in diesem Jahr nur noch 7 Pflanzen zur Blüte kamen.

An der Erhaltung des Feld- bzw. Baltischen Enzians in mehreren deutschen Bundesländern sind auch Botanische Gärten beteiligt, in denen die Sippe zwecks Sicherung des Genotyps kultiviert wird.

Der Feld-Enzian i.e.S. hat in den Alpen noch recht sichere Bestände, während die überwiegend im Tiefland siedelnde Unterart Baltischer Enzian europaweit sehr stark bedroht und in mehreren Ländern ganz verschwunden ist.

In Deutschland war er bereits in den 90er Jahren in neun der zehn Bundesländer, in denen er vorkam, ausgestorben oder vom Aussterben bedroht. Nur in Sachsen-Anhalt galt der Baltische Enzian noch als stark gefährdet. Mittlerweile beginnt sich aber auch dort die Situation weiter zu verschlechtern, vor allem wegen der langen Dürrephasen.

Rund um Nordhausen war der Baltische Enzian einst "stellenweise sehr häufig", wie A. Vocke und C. Angelrodt 1886 in ihrer "Flora von Nordhausen und der weiteren Umgegend" schrieben. Sie geben unter anderen den Kuhberg und den Harz-Rigi als Fundstellen an.

Am vergangenen Freitag und am Sonnabend führten drei Mitglieder und Freunde des BUND-Kreisverbandes am vorletzten Thüringer Vorkommen der Sippe die jährliche Mahd durch. Den Teilnehmenden sei herzlich gedankt. Sie haben mit einen Anteil daran, wenn der Feld- bzw. Baltische Enzian unserem Freistaat hoffentlich weiterhin erhalten bleibt.

 

Bodo Schwarzberg

Mitglied BUND-Kreisverband Nordhausen

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